Klassische Physik

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Allgemeines

Die Physik ist eine für andere Naturwissenschaften grundlegende, empirische Wissenschaft. Die Anwendung ihrer Methoden und Theorien auf angrenzende Wissenschaften führte zu Spezialgebieten wie Astrophysik und Kosmologie, Biophysik, Geophysik und physikalische Chemie. Die wesentliche Aufgabe der Physik besteht darin, die Fülle der von ihr untersuchten Naturerscheinungen und -vorgänge (physikalische Phänomene) zu erfassen, zu beschreiben und zu erklären, wobei das methodische Vorgehen stets eine Einheit von Theorie und Experiment, Hypothese und Verifikation bildet. Hierin liegt die enge Berührung zwischen theoretischer und experimenteller Physik; aus den durch Beobachtung und Messung (physikalische Experimente) gewonnenen Daten werden die funktionalen Beziehungen zwischen den untersuchten physikalischen Größen abstrahiert und (in mathematischer Form) als physikalische Gesetze formuliert beziehungsweise zu grundlegenden physikalischen Theorien verallgemeinert. Große Bedeutung im physikalischen Erkenntnisprozess haben Modellvorstellungen (physikalische Modelle). Mithilfe von Computern werden Modelle systematisch in Simulationen modifiziert (Computerphysik). Die Gesamtheit der in den verschiedenen Bereichen der Physik entwickelten Modelle und Theorien sowie der daraus resultierenden Erkenntnisse bezeichnet man als physikalisches Weltbild.



Klassische Physik


Das Gesamtgebiet der Physik wird nach verschiedenen historischen beziehungsweise sachlichen Gesichtspunkten in klassische und moderne Physik sowie in Kontinuums- und Quantenphysik beziehungsweise Makro- und Mikrophysik unterteilt, wobei sich diese Begriffe zum Teil überschneiden. - Unter dem Begriff klassische Physik fasst man die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts untersuchten Erscheinungen und Vorgänge zusammen, die anschaulich in Raum und Zeit beschreibbar sind und für die zu Beginn des 20. Jahrhunderts abgeschlossene Theorien vorlagen. Kennzeichnend für die klassische Physik ist, dass der Einfluss der Messvorgänge auf die Messobjekte und damit auf die Messresultate vernachlässigt werden kann. Ihre Teilbereiche sind: klassische Mechanik, Akustik, Thermodynamik, Elektrodynamik (als Lehre von Elektrizität und Magnetismus) sowie Optik. Eine Sonderstellung nimmt die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte und daher meist zur modernen Physik gezählte Relativittstheorie ein, die - als Vollendung der klassischen Mechanik sowie der newtonschen Gravitationstheorie - auch der klassischen Physik zugerechnet wird.



Moderne Physik


Die sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelnde moderne Physik umfasst v. a. die nicht mehr anschaulich in Raum und Zeit beschreibbaren und unstetig ablaufenden Naturerscheinungen und -vorgänge der Mikrophysik. Die von ihr untersuchten mikrophysikalischen Systeme sind nur im Rahmen der Quantentheorie und auf ihr fußender Theorien beschreibbar, in denen die Bereiche der klassischen Physik als Grenzfälle enthalten sind. Grundlegende Gebiete der modernen Physik sind Atomphysik, Kernphysik, Elementarteilchenphysik in enger Verbindung mit der Kosmologie und Relativitätstheorie (Schaffung einer einheitlichen Feldtheorie der Materie). Weitere Schwerpunkte physikalischer Forschung betreffen im Zusammenwirken mit Technik, Mathematik und Informatik die Physik der kondensierten Materie (z. B. Festkörperphysik, Halbleiterphysik, Tieftemperaturphysik, Physik der Supraleiter), Laserphysik und Plasmaphysik.




Geschichte


Antike: Der physikalische Gedanke eines Urstoffes wurde von den griechischen Philosophen in verschiedener Weise entwickelt, u. a. Thales (Urstoff ist das Wasser), Anaximander (das Unbegrenzte), Anaximenes (Luft), Empedokles (Vier-Elementen-Lehre), Leukipp und Demokrit (Atome) sowie Aristoteles (geozentrische Kosmologie). Fachwissenschaftliche Entwicklungen, die sich zum Teil schon auf erste planmäßige Versuche stützten, stammten u. a. von Philon von Byzanz (technische Mechanik, Pneumatik), Euklid (geometrische Optik), Archimedes (Statik, Hydrostatik). Zu wichtigen Erkenntnissen gelangten ferner Heron von Alexandria (Begriff des virtuellen Hebelarms, erstes Minimalprinzip der Physik), Ptolemus (Strahlenbrechung) und Pappus von Alexandria (Arometer, guldinsche Regeln) sowie Eratosthenes von Kyrene (Bestimmung des Erddurchmessers).

9. bis 19. Jahrhundert: Das griechische Wissen wurde seit dem 9. Jahrhundert von islamischen Gelehrten gesammelt, fortgebildet und an das Abendland weitergegeben. In der Renaissance wirkte u. a. Kopernikus (heliozentrisches Weltbild). - Das 17. Jahrhundert bedeutete die Anerkennung des kopernikanisch-keplerschen Weltsystems, die Ausbildung der Lehre vom Erdmagnetismus (W. Gilbert) und der Kinematik von Fall und Wurf (Galilei). J. Jungius, P. Gassendi und R. Boyle erneuerten die Atomistik; E. Torricelli, B. Pascal und O. von Guericke schufen die Lehre vom Luftdruck und die Vakuumtechnik; Statik und Dynamik machten durch S. Stevin und C. Huygens, die Optik durch J. Kepler, R. Descartes und Snell entscheidende Fortschritte. Newton und Huygens skizzierten erstmals die gegensätzlichen Auffassungen vom Licht als Teilchen- und Wellenerscheinung. Eine Krönung dieser Epoche bildeten Newtons Erkenntnisse zur Statik und Dynamik und seine Aufstellung des Gravitationsgesetzes (1682). Die Bernoullis, d'Alembert, L. Euler, J. de Lagrange u. a. entwickelten im 18. Jahrhundert die theoretische Mechanik weiter.

Die Wärmelehre wurde durch D. G. Fahrenheit, R.-A. Raumur, A. Celsius, die Photometrie durch J. H. Lambert, die Elektrizitätslehre durch F. Hawksbee, C. A. Coulomb u. a. gefördert; ausgebaut und vertieft wurde sie im 19. Jahrhundert durch A. Volta (galvanische Stromerzeugung), H. C. Orsted (Elektromagnetismus), A. Ampre (Elektrodynamik) und M. Faraday (Induktionserscheinungen, elektrochemische Grundgesetze). Neue Entdeckungen führten zur Bestätigung der Wellentheorie des Lichts (T. Young, A. Fresnel), die 1865 durch J. Maxwell (Theorie des elektromagnetischen Feldes) mit der Elektrodynamik vereinigt wurde. 1842 entdeckte Julius Mayer das Prinzip von der Erhaltung der Energie; R. Clausius, J. Maxwell und L. Boltzmann gelang es, die Gasgesetze mithilfe der kinetischen Gastheorie statistisch zu begründen; sie gab in Verbindung mit den sich häufenden Hinweisen auf die atomistische Struktur der Materie und der Elektrizität an der Wende des 20. Jahrhunderts den Anlass zur Aufstellung der Quantenhypothese durch Planck (1900), die den Ursprung der Quantentheorie bildet, und Einstein zur Annahme einer Teilchenstruktur des Lichts (Welle-Teilchen-Dualismus).

20. Jahrhundert: Der Einstieg in die Mikrophysik wurde ferner durch die Entdeckung der Röntgenstrahlen (W. Röntgen) und der Radioaktivitt (A. Becquerel, P. und M. Curie, G. C. Schmidt, E. Rutherford) vorbereitet. Die Entwicklung führte zur Theorie des Atombaus (N. Bohr, 1913) und zur Quanten- und Wellenmechanik der Atome (de Broglie, W. Heisenberg, E. Schrödinger, M. Born, E. P. Jordan, P. Dirac). Die Relativitätstheorie (Einstein) lieferte unerwartete Einblicke in die Zusammenhänge von Raum und Zeit und in die Natur der Gravitation. Durch die Entdeckung der Äquivalenz von Masse und Energie (Einstein) wurde die Unterscheidung der klassischen Physik zwischen Materie und Feldern weitgehend aufgehoben.

Das Komplementaritätsprinzip und die heisenbergsche Unschärferelation führten zu einem Umsturz im Weltbild der Physik, da das im Rahmen der klassischen Physik uneingeschränkt geltende Prinzip der Determiniertheit im Bereich der Mikrophysik außer Kraft gesetzt wurde. Die aus der quantenmechanischen Interpretation der mikrophysikalischen Vorgänge folgende Ungültigkeit des Kausalgesetzes hatte über den Bereich der Physik hinaus tief greifende Konsequenzen für die allgemeine Erkenntnistheorie. Die Experimentalphysik erlebte ab 1930 eine neue Blüte in der Atom-, Molekül- und Kernphysik. Die Arbeiten von Otto Hahn, Lise Meitner u. a. führten zur Entdeckung der Uranspaltung und schließlich zur Gewinnung von Kernenergie (E. Fermi u. a.), aber auch zur Atombombe. Die Fortschritte der Physik der letzten 50 Jahre, insbesondere der Elementarteilchenphysik mit ihren teuren Großgeräten, sind v. a. auf eine zunehmende Spezialisierung und internationale Zusammenarbeit zurückzuführen.



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