Wahlkampfarena 28.08.2006

Aus ÖSF Zentraldatenbank
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'Werter Besucher, unsere zweite Besichtigung führt heute in Cams schnuckeliges Reich.

Erwarten sie keine großen Handlungen, die mit Action angereichert sind, sondern machen sie sich darauf gefasst, dass das Herzstück von Cam ruhig, ausgeglichen und beständig ist. Auf Erfahrung, Harmonie und Gleichklang haben sich die Einzelteile der Antriebskraft eingeschwungen. Mit stoischer Gelassenheit kann Cam kampferprobt den hektischsten Besucher empfangen. Auf jede winzige Regung, sogar den leisesten Atemzug, reagiert er belebend. Manchmal jedoch muss der Tote zu Cam hingehen und ihn bitten, ihn mit einer frischen Frühlingsbrise wieder zu erwecken. Da er den Toten leicht übersieht, wenn er nicht direkt vor seine Füße fällt. Die Milde und Großherzigkeit Cams lässt den Toten lächelnd die dazu notwendigen Energie in den verborgensten Winkeln seines Körpers suchen. Nie würde er es wagen Cam mit einem Misserfolg zu enttäuschen.


Auch in der idyllischen Umgebung, die von den fleißigen Helfern Cams gewartet wird, kann der Beobachter erkennen, dass er sehr viel Wert auf jedes der einzelnen Arbeitsteile legt. Diese restauriert und päppelt er lieber hingebungsvoll auf, als sie immanent auszuwechseln. Die angestellten Arbeiter sind unter dieser vorgegebenen Arbeitsmoral sehr glücklich. Können sie doch mehr Zeit mit Kaffee trinken und mit selbstgebackenen Keksen die Zusammengehörigkeit stärken, als neue Chips auszutauschen.


Nur ganz hinten in der Ecke des Maschinenraumes gibt es die einzige unglückliche Gestalt die Weit und Breit auffindbar ist. Denn diese ist enttäuscht über die routinierten Vorgänge. Leise seufzend und hinter der Hand teilt sie dem Gast mit, dass ihr die Herausforderung neuer, glänzender und flimmernder Chips fehlt, die das Zusammenspiel der harmonischen Lichter verändern. Im großen Gezänk antwortet der Arbeiter, welcher daneben steht, dass er die Beständigkeit von Cams Arbeit zu schätzen weiß. Wird er doch nicht immer gezwungen sich in neue Mechanismen einzuarbeiten, sondern hat in der stetig wechselnden Zeit einen festen Ankerpunkt, von dem er in die Unbeständigkeit aus starten kann.

Der Besucher reagiert verunsichert, birgt die Atmosphäre der harmonischen Schwingungen einladend, so fehlt doch der letzte, gewisse Kick, der ihn dazu bringt, sich hier endgültig nieder zu lassen. Hilfe suchend schaut er zwischen den beiden Arbeitern hin und her, bis der Besucher vom ersten Arbeiter an die Hand genommen wird. Leise flüstert er ihm ins Ohr: „Sieh dich um, hier fehlt der Anstoß des Neuen, des Innovativen, hier bleibt der Mensch auf dem kalten, emotionslosen Stahlhocker sitzen. Er hört auf Mensch zu sein und wird Teil der Maschine, bis er irgendwann sich selbst in den Schalthaufen der Chips wieder findet.“ Mit der Fingerkuppe berührt ein Kind vorsichtig die Chips der Schaltkreise unter der Konsole und schaut sie sich fragend an, „Bist du ein verzauberter Chip? Kannst du dich wieder zurück verwandeln, oder noch besser, eine kleine Katze für mich werden?“ Doch der Chip antwortet nicht. Er brummt leise im Gleichklang vor sich hin. War es gut, dass der Chip den Wähler von morgen ignorierte?

Der zweite Arbeiter enttarnt sich als hochangesehene Person des Wahlkreises. Keiner weiß wie er sich dort eingeschlichen hat, doch vermuten alle Anwesenden, dass er es als selbstauferlegte Aufgabe versteht Cam, bei seinen Besuchern im besten Lichte zu präsentieren. Er benutzt seine Popularität um auch die schwächste Glühbirne zum Strahlen zu bringen. Damit wird dem Beobachter vorgegaukelt, im strahlensten Lichte der Zukunft zu stehen. Natürlich lässt sich der Gast nicht in die Irre führen, ignoriert mit gekonnter Überspielung seine Worte und begibt sich selbst auf Erkundungsgang. So wissen sie genau, auch der erste Arbeiter, den sie angetroffen hatten, hat eine übertriebene perspektivische Einstellung präsentiert.