Materie und Antimaterie: Unterschied zwischen den Versionen

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(Geschichte von Materie und Antimaterie)
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Bis zum heutigen Zeitpunkt haben die Physiker in ihren Experimenten noch keinen Hinweis auf eine Verletzung dieser übergeordneten Symmetrie gefunden.  
 
Bis zum heutigen Zeitpunkt haben die Physiker in ihren Experimenten noch keinen Hinweis auf eine Verletzung dieser übergeordneten Symmetrie gefunden.  
  
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Version vom 23. August 2005, 16:57 Uhr

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Geschichte von Materie und Antimaterie

Im Jahr 1928 versuchte Paul Dirac das Verhalten von Elektronen mit Hilfe der speziellen Relativitätstheorie zu beschreiben, die neuen Gleichungen funktionierten außerordentlich gut, aber es tauchten plötzlich Elektronen mit negativer Energie auf. Dirac füllte diese Energien in seiner Interpretation der Ergebnisse mit Elektronen auf und schuf so den nach ihm benannten Dirac-See. Jetzt stellte sich aber die Frage, was passiert, wenn man ein Elektron mit negativer Energie entfernte, das entstehende Loch müsste sich eigentlich genauso verhalten wie ein Teilchen mit entgegengesetzter Ladung - wie ein Anti-Elektron.

Experimentell konnte dieses neue Teilchen 1932 von Carl Anderson beobachtet werden. Wie vorhergesagt, hatte es eine positive Ladung und bekam deshalb den Namen Positron. In den folgenden Jahren wurden in Teilchenbeschleunigern weitere Antiteilchen hergestellt, und 1995 entstand aus einem Positron und einem Anti-Proton das erste Anti-Wasserstoffatom.

Diese Antiteilchen haben aber nur eine sehr kurze Lebensdauer, da sie mit ihren Gegenstücken sehr schnell wieder zu reiner Energie zerstrahlen. Neuerdings versucht man die Anti-Atome in Magnetfeldern zu fangen und längere Zeit zu speichern. Die produzierten Mengen sind aber noch nicht sehr groß, sie liegen im Bereich von wenigen Nanogramm.

Thema Materie 1.jpg
Aber nicht nur geladene Teilchen wie Elektronen und Protonen haben Antiteilchen, auch ungeladene wie zum Beispiel Neutronen besitzen Gegenstücke, die sich dann nicht in der Ladung, sondern im Eigendrehimpuls bzw. Spin - eine quantenmechanische Eigenschaft - unterscheiden.

Abgesehen davon gibt es aber keinen Unterschied zwischen Materie und Antimaterie, physikalisch macht es keinen Unterschied, ob man das eine oder das andere beschreibt.

Jedes Teilchen hat sein Antiteilchen, mit dem es - falls sie sich mal treffen sollten - zu reiner Energie zerstrahlt. Zu Beginn des Universums hätte sich eigentlich gleich viel Materie und Antimaterie bilden sollen, als es nach dem Urknall schließlich kalt genug war, um die Kondensation von Energie zu Materie - und Antimaterie - zuzulassen.

Seltsamerweise kam Materie aber ein kleines bisschen häufiger vor als Antimaterie. Ob das für das ganze Weltall gilt, oder ob es ebenso große Abschnitte gibt, die aus Antimaterie bestehen, ist noch nicht vollständig geklärt. Aber zumindest soweit die Teleskope schauen können, scheint das Universum ausschließlich aus Materie zu bestehen.

Thema Materie 2.jpg
Hinweise auf Antimaterie würde die charakteristische Energie liefern, die bei der Paarvernichtung als Strahlung frei wird. Bei einer Elektron-Positron Vernichtung sind das zweimal 511keV, die von zwei Photonen in jeweils entgegengesetzte Richtungen davongetragen wird - diese Energie ist nach E=mc² äquivalent zur Masse der beteiligten Teilchen -, und zwei Photonen sind nötig, um Impuls- und Drehimpulserhaltung sicherzustellen. Diese Strahlung konnte aber nicht in der Höhe nachgewiesen werden, die auf größere Antimateriehaufen hinweisen würde.

Es war also die Frage zu klären, warum dieses Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie zustande kommen konnte. Die Spekulationen gingen deshalb in die Richtung, dass es doch einen kleinen Unterschied geben muss - man nennt das in der Physik eine Asymmetrie oder Symmetriebrechung - die erklärt, warum so wenig Antimaterie zu finden ist.

Die Symmetriebrechung müsste dafür gesorgt haben, dass beim Urknall für alle 100 Millionen Teilchen und Antiteilchen ein zusätzliches Teilchen entstanden sein muss.

Man kennt Asymmetrien schon seit 1956 von radioaktiven Zerfallsprozessen, ist bei diesen die schwache Wechselwirkung für den Zerfall verantwortlich, so kommt es zu einer Verletzung der Parität oder Händigkeit - unsere rechte und linke Hand gleichen sich auch und unterscheiden sich nur durch ihre Parität.

In diesem Experiment, das am National Bureau of Standards in den USA durchgeführt wurde, beobachtete man den Zerfall von Kobalt zu Nickel. Im Kobalt zerfällt dabei ein Neutron in ein Proton, ein Elektron und ein Anti-Neutrino. Bei einer Temperatur von 0,003 Kelvin wurden die Kernspins in einem starken Magnetfeld ausgerichtet - den Kernspin kann man sich wie einen winzigen rotierenden Magneten vorstellen, der auf ein äußeres Magnetfeld reagiert.

Die beim Zerfall vom Kobalt ausgesendeten Elektronen bezeichnet man als Beta-Strahlung. Man erwartet also, dass die Beta-Strahlung in gleicher Intensität in Richtung und Gegenrichtung des Kernspins nachgewiesen wird. Da Elektronen auch einen Spin haben, der nur diskrete Werte wie ½ oder -½ annehmen kann, sollte es keinen Unterschied machen in welche Richtung die Kernspins ausgerichtet sind - das Anti-Neutrino muss ebenfalls einen halben Kernspin mitnehmen, da das ursprüngliche Neutron einen ganzzahligen Kernspin hatte, der in der Summe erhalten bleiben muss.

Man fand allerdings, dass mehr Beta-Strahlung in Gegenrichtung zum Kernspin registriert wurde, es liegt also eine Händigkeit oder Parität des Beta-Zerfalls vor.

Man ging also davon aus, dass die Ladungs-Paritätssymmetrie als Kombination erhalten bleiben muss, wenn das schon für jede einzelne Symmetrie nicht mehr zutraf. Doch auch diese Symmetrie hatte keinen Bestand.

Weitere Zerfallsexperimente an K-Mesonen von James Cronin und Val Fitch 1964 zeigten aber, dass auch die Ladungs-Paritäts-Symmetrie in seltenen Fällen - einem von 500 - gebrochen wird. Andrei Sakharov stellte daraufhin erstmals fest, dass diese Symmetriebrechung für die Materie-Antimaterie-Verteilung verantwortlich sein könnte.

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Durch Zerfallsprozesse an Teilchen und Antiteilchen versucht man diesen Symmetriebrechungen auf die Spur zu kommen. Die in Teilchenbeschleunigern am SLAC in Stanford, USA und in Tsukuba, Japan hergestellten B-Mesonen und Anti-B-Mesonen zerfallen zwar nach wenigen Milliardstelsekunden wieder in andere Teilchen, aber diese Teilchen werden in riesigen Detektoren registriert und lassen Rückschlüsse auf die ursprünglichen Reaktionen zu.

Im BaBar-Detektor am SLAC z.B. wurden seit seiner Inbetriebnahme 1999 88 Millionen Paare dieser Teilchen nachgewiesen und es konnte gezeigt werden, dass es tatsächlich einen Unterschied zwischen B-Mesonen und Anti-B-Mesonen gibt. Den Grad dieser Asymmetrie bezeichnet man als Sinus2Beta und er weicht deutlich von Null ab. Das beweist, dass eine Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie nachgewiesen werden kann. Leider ist Sinus2Beta nicht groß genug, um die Abwesenheit der Antimaterie vollständig erklären zu können, es sind also noch weitere Experimente nötig.

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Die Ursache der nachgewiesenen Symmetriebrechungen könnten Vertauschungen von Quarks sein, aus denen Materie und Antimaterie aufgebaut sind. Als das 1972 von M. Kobayashi and T. Maskawa vorgeschlagen wurde stand man der Theorie skeptisch gegenüber, weil sie gleich drei zusätzliche Quarks erforderte, man aber nur drei kannte. Inzwischen sind alle sechs Quarks nachgewiesen und Quark-Mixing ist Teil des Standard-Modells geworden.

Nach all diesen Experimenten und gebrochenen Symmetrien geht man heute davon aus, dass die Kombination aus Parität, Ladung und Zeit zusammen eine CPT-Symmetrie ergibt (Abk.: Charge, Parity, Time Reversal). Das heißt, wird die Ladungs-Paritäts-Symmetrie verletzt, dann muss auch die Zeitsymmetrie gebrochen werden, damit sich die Verletzungen gegenseitig wieder aufheben und die übergeordnete Symmetrie erhalten bleibt.

Unter Zeitsymmetrie versteht man den Ablauf der Zeit. Würde hier Symmetrie vorliegen, könnte sie genausogut rückwärts wie vorwärts laufen, das ist nach den Ergebnissen der bisherigen Experimente jedoch nicht der Fall. Man muss deshalb davon ausgehen, dass die Zeitsymmetrie ebenfalls gebrochen ist, was zu einer ausgezeichneten Zeitrichtung führt - d.h. der Zeitpfeil zeigt in Richtung Zukunft.

Die aktuellen physikalischen Modelle müssen deshalb, aufgrund der Ungleichheit von Materie und Antimaterie, davon ausgehen, dass Zeitreisen auf quantenmechanischer Ebene ausgeschlossen sind - relativistische Effekte, wie z.B. rotierende schwarze Löcher, schließt das aber nicht aus.

Bis zum heutigen Zeitpunkt haben die Physiker in ihren Experimenten noch keinen Hinweis auf eine Verletzung dieser übergeordneten Symmetrie gefunden.

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